Story

Jeder will helfen – doch was wenn es dir schadet?

Es ist der 2. Jahrestag des Todes der Mutter. Jessi kocht wie selbstverständlich für ihren Vater Essen, doch als dieser keinen Hunger hat machen sie sich stattdessen direkt auf dem Weg zum Friedhof.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle realisiert Jessi, dass sie nicht wie die anderen Kinder ist und ihr die Unterstützung, die sie ihrem Vater gibt, ihr selbst schadet.

Story

Characters

Jessi

Jessica wird von allen nur Jessi genannt. Sie ist 12 Jahre alt, in paar Monaten wird sie aber 13. Ihre braunen lockigen Haare hüpfen bei jedem Schritt fröhlich auf und ab. Sie ist schlank und athletisch. Sie rennt gerne und fährt Fahrrad. Geboren und aufgewachsen ist sie in einem kleinem Vorort von Frankfurt, umgeben von Wald und Gärten. Jessi liebt Farben und trägt gerne bunte Kleidung. Ihr ist wichtig, dass alles farblich zusammen passt. Sie tauscht auch ständig ihre Outfits. Zum Frühstück isst sie fast ausschließlich Müsli mit Bananen. Im Winter dann auch porridge mit Banane. Sie liebt Bananen, egal in was für einem Essen. Eines Tages hat sie in den Kartoffelbrei Bananen gemixt und fand es hervorragend. Was sie gar nicht leiden kann, sind Erbsen und Spinat. Sie kann es auch gar nicht leiden, wenn jemand ungerecht behandelt wird. Wie so oft fängt sie dann an, andere darauf aufmerksam zu machen, ob diese es hören wollten oder nicht.

Wenn ihr Vater Klavier gespielt hat, hörte sie immer aufmerksam zu. Besonders Lieder wie „Rue des trois frères“ von Fabrizio Paterlini hört sie ihren Vater gerne spielen. Währenddessen malt sie oft mit Wasserfarben. Ein angeborenes Talent dafür hat sie offensichtlich. Ihr Vater hat stolz alle ihre Bilder im Haus verteilt aufgegangen. An den Tagen an denen sie keine Lust hatte zu malen, las sie Bücher oder tanzte zu den Liedern, die ihr Vater spielte. Sie denkt sich gerne eigene Welten aus und kreiert darin Geschichten, die sie ihren Eltern lebhaft am Esstisch erzählte.

Wenn sie nicht weiß, was sie sagen soll oder wenn sie lieber nichts sagt, dann beißt sie sich gewöhnlich auf die Lippe und verzieht dabei den Mund. Sie tagträumt viel und beobachtet liebend gern andere Menschen und die Welt um sie herum. Sie ist gerne mit ihrem Vater im Wald und lauscht auf all die kleinen Geräusche, die sich mit der Stille der Natur mischen. Dort genießt sie es abseits der lauten Schule zu sein. Denn, das meint ihr Vater, die meisten Menschen haben nur Eigennutzen im Sinn und lügen wie gedruckt. Sie versucht trotzdem in allem das positive zu sehen. Das hat sie von ihrer Mutter. Und doch ist sie neuen Menschen gegenüber misstrauisch.

Ihre Mutter ist gestorben, als sie 10 Jahre alt war. Kurz danach kam sie in die 5.Klasse und musste die Schule wechseln. Dort konnte sie aber keinen Anschluss finden, weil sie ihren alkoholabhängigen Vater unterstützt und alleine mit ihrer eigenen Trauer umgehen muss. Freunde hat sie nicht viele und mit denen macht sie nur selten was. Nach der Schule kümmert sie sich überwiegend um ihren Vater und den anstehenden Haushalt, da ihr Vater dazu nicht mehr wirklich in der Lage ist. Sie ist in eine Trance verfallen, einer Routine, die aus zwei Dingen besteht. Schule und sich um ihren Vater kümmern. Nebenbei versucht sie die Hausaufgaben vollständig zu machen und für die Schule zu lernen. Sie ist ein schlaues Mädchen, lernt gern und ist wissbegierig, doch ihr fehlt mittlerweile die nötige Konzentration, um wirklich Wissen aufzunehmen. Sie schweift oft mit den Gedanken ab und denkt über vergangene Wanderungen mit ihren Eltern nach. Ihr ganzes Leben dreht sich überwiegend nur noch um ihren Vater, nur wenn sie andere Kinder beobachtet, merkt sie den drastischen Unterschied. Doch sie hat Angst, dass es ihrem Vater schlechter geht, sobald sie sich nicht mehr jede Minute ihrer Zeit um ihn sorgt.

Ihren Lieblingsteddybär Crunchy trägt eine rote Fliege um den Hals. Sie nahm den Bär jahrelang auf all ihre Reisen mit, den ohne ihn konnte sie nicht schlafen. Mittlerweile ist sie jeden Tag so erschöpft, dass sie auch im stehen schlafen könnte.

Platzhalter für die Tochter

Vater

Tom ist 52 Jahre alt. Wenn er anfängt zu sprechen, werden ganze Räume still, denn Tom redet selten, nur wenn es wichtig ist. Er ist durchschnittlich groß. Sein leicht gräulicher Vollbart wächst unermüdlich. Trotzdem pflegt er ihn viel zu selten, weshalb er sehr chaotisch ist. Klamotten interessieren ihn wenig. Hauptsache sie sind ordentlich und passen einigermaßen zueinander. Er trägt meistens dunkle Kleidung. Oft sieht man ihn in einer dunklen Jeans und dunklem Oberteil. Er ist davon überzeugt, dass man damit nie etwas falsch machen kann. Auch wenn ihn sein blasses Gesicht dadurch wie ein Gespenst aussehen lässt.

Er ist dünn, aber nicht athletisch. Sport bringt ihm keine Freude, er läuft nur hin und wieder ein paar Runden ums Haus, bevor er keuchend zuhause ankommt. Dann schwört er jedes Mal, es nie wieder zu machen. Und doch, jedes Mal wenn sich ein Bäuchlein anbahnt, fängt er damit von vorne an. Er wollte nie fett sein, das ist für ihn ein klares Zeichen, dass man im Leben aufgeben hätte. Doch er liebt nunmal Süßigkeiten über alles und scherzt, dass er süchtig danach wäre. Als wären sie sein Lebenselixier.

Geboren und aufgewachsen ist er in Frankfurt-Preungesheim mit seinen Eltern und 7 Jahre älterem Bruder Georg. Zu seinen Eltern hat er kaum Kontakt. Seine Kindheit war nicht sehr rosig gewesen. Tom hat vergeblich versucht die Aufmerksamkeit seines Bruders und die Zuneigung seiner Eltern zu bekommen, doch nach vielen Jahren hoffnungslos aufgegeben. Seiner Meinung nach braucht man die Familie nicht. Bis heute ist die Verbindung der beiden Brüder nicht besonders eng. Tom wollte deshalb auch nie eigene Kinder, er hat zu große Angst ein schlechter Vater zu sein. Und die traumatischen Erfahrung seiner Kindheit an seine Kinder weiterzugeben.

In der Uni hat Tom dann seine zukünftige Frau Susan kennengelernt. Beide studierten zu dem Zeitpunkt Architektur. Nach dem 3. Semester brach er das Studium ab, um Fotograf zu werden. Das Architektur-Studium hatte er nur seinen Eltern zur Liebe angefangen. Er merkte aber, dass er keine Verbindung dazu aufbauen konnte und entschied aufzuhören. Das war sein erster wirklicher „rebellischer Akt“. Von da an distanzierte er sich immer mehr von seiner Blutsfamilie und baute seine eigene auf.

Er spezialisierte sich auf Tierfotografie. Er kann stundenlang auf einem Fleck sitzen und auf den perfekten Moment warten. Ihn fasziniert die unverfälschte und echte Art der Tiere. Er ist überzeugt, dass Tiere nicht lügen, sondern einfach sie selbst sind. Diese Echtheit fängt er gerne mit seiner Kamera ein und stellt die Bilder in Galerien aus. Es gibt fast nichts, dass ihn glücklicher macht, als von einem Tag im Wald zurückzukommen und die Fotos stolz seiner Frau zu zeigen.

Die andere Sache, die ihn genauso glücklich macht, ist das Klavierspielen. Er ist kein Meister, aber es reicht für Stücke wie „River flows in you“. Er hat es von klein auf gelernt und sich stetig verbessert. Er begann Piano zu spielen, um seinen Eltern zu beweisen, was er alles kann. Später weil seine Eltern dann aufhörten zu streiten, wenn er zu spielen anfing und er die Ruhe genoss. Als er erwachsen wurde und von Zuhause auszog, spielte er weiter, weil er sich durch die Musik ausdrücken konnte. Er hat nie eigene Lieder geschrieben, aber fand immer neue Lieder, egal aus welchem Zeitalter, die seine Frau noch nie zuvor gehört hatte.

Nachdem Susan und er schon einige Jahre arbeiteten, zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. Als Susan ungewollt schwanger wurde, entschieden sie sich ein Haus zu kaufen. Tom hatte nie besonders viele Freunde – bis heute nicht. Ihm hatten seine Frau und Tochter ausgereicht. Wenn sie aber mal Besuch hatten, waren es Freunde von Susan. Oft genug fand er eine Ausrede und floh mit seiner Kamera in die Tiefen des Waldes. Dort fühlte er sich sicherer als unter Menschen, die lügen, betrügen und man nie weiß, was diese denken.

Als seine Tochter laufen konnte, nahm er sie oft mit. Während er ständig Angst hat, ein schlechter Vater zu sein, bemerkt er gar nicht, dass er eigentlich einen ziemlich guten Job macht.

Platzhalter für den Vater

Wieso

Jeder kennt das Gefühl helfen zu wollen, egal ob einem Freund, Familienmitglied oder jemand Fremden. Doch was wenn du dir selbst damit schadest?

Wir wollen mit dem Film über das Thema Selbstfürsorge sprechen und die Zerrissenheit von Jessi zwischen der Liebe zu ihrem Vater und ihrem eigenen Leben erzählen. Und damit auch aufgreifen, wie schwer es sein kann, sich um sich selbst und andere zu sorgen.

Es ist ein totgeschwiegenes Thema. Die eigenen Gedanken und Gefühle zurückzuhalten, um jemand anderen nicht zu verletzen oder eine Grenze nicht zu überschreiten. Doch niemand ist hiermit allein.

So viele kämpfen tagtäglich mit demselben Problem. Wir wollen das Thema mit diesem Kurzfilm an die Oberfläche bringen, zeigen, dass es Realität ist und kein Tabu Thema sein darf. Wir wollen einen Raum schaffen, um darüber reden und diskutieren zu können. Ohne Schuld und Bürde. Ein neutraler Boden für alle, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.

Wieso